Ein Konzert vor dem Konzert
Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 05.07.2005
Ein Konzert vor dem Konzert
Hansgeorg Marzinkowsk
Brahms’ Ungarische Tänze an zwei Flügeln: Damit macht man – gut gespielt – fast jedes Publikum glücklich. Doch das war bei weitem nicht die ganze Freude, die jetzt den Besuchern auf Schloß Dyck zuteil wurde. Im Mittelpunkt stand die Carmina Burana von Carl Orff, Publikumsmagnet und wirkungsvolles Chorwerk. Guido Harzen, den man mit hochwertigen Chorkonzerten in Neuss fast automatisch in Verbindung bringt, hat mit seinem “Jungen KonzertChor Düsseldorf” und einigen Gesangssolisten dieses Großprojekt auf die Beine gestellt – und unter Open-Air-Bedingungen bewunderungswürdig realisiert. Begleitet wurde der Chor von den beiden Pianisten Robin Jurman und Hermann Godland, die auch das oben erwähnte pianistische Vorprogramm bestritten. Sie eröffneten den zeitlich nicht gerade bescheiden geplanten Abend mit Dvorak, Debussys “kleine Suite” und natürlich Brahms.
Allein das Repertoire ergab schon ein Konzert vor dem Konzert und war weit mehr als reines Vorgeplänkel. Den Impressionisten interpretierten die beiden zwar nach bestem Können, doch wurden sie durch die etwas scheppernde Akustik doch arg eingeschränkt, ihrem Klangsinn zu frönen. Weitaus effektvoller gerieten dagegen der muntere Dvorak und natürlich die Tänze von Brahms, die wohl die unbestrittene Nummer Eins der Hitparade zu vier Händen darstellten. Mit Verve, Temperament und meistenteils gutem “Timing” schmetterten sie die Melodien dem Publikum entgegen, verstärkt durch diverse Lautsprecher auf dem Platz vor der Orangerie. Das ergab zwar eine solide Rundum-Beschallung, Nuancen suchte man jedoch eher vergeblich. Der monumentalen, ihrem Ursprung entsprechend noch mittelalterliches Flair verströmenden “Carmina” allerdings schadete das eher wenig. Der sauber intonierende und überraschend präsente Chor schaffte mit dem fulminanten Beginn sofort Spannung, die er auch über schlichte, fast einfältige Passagen hinweg halten konnte. Rhythmisch und harmonisch passiert in dem Werk ja nicht allzu viel, bezieht sich Orff doch auf die recht bescheidene Tonsprache des Mittelalters, doch die geschickten Satzfolgen halfen, einen großen Spannungsbogen zu schaffen. Die Schlagzeuger des Bundesjugendorchesters dagegen hatten ebenso gute wie schwache Momente: Nicht alle Einsätze kamen punktgenau. Orchester – vertreten durch die beiden Klaviere – und Perkussion hatten ab und an Meinungsverschiedenheiten darüber, wann genau man denn nun loslegen sollte. Dem Chor kam dabei die solide Hand von Guido Harzen zu Hilfe und – nach einer Verschnaufpause und etwas Regen – folgte wohl der Höhepunkt der im antiken Idiom komponierten Oper: das “Liebesduett”, gesungen von Tina Scherer und Raimund Fürst. Zusammen mit der “Picknickatmosphäre” und dem unschlagbaren Rahmen des Schlossparks eine Veranstaltung mit Drang zur Fortsetzung.
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